Wirkstoff oder Wirkstoffgemisch?

PFLANZENmedizin (k)eine sanfte Medizin?

 

Oft hört man, dass Pflanzenmedizin eine sanfte Medizin sei.
Was weniger bekannt ist, ist das 80% aller schulmedizinschen Medikamente bzw. deren Wirkstoffe ursprünglich in einer Pflanze entdeckt wurden.
Ebenso Nahrungsmittel: Denn egal ob Obst, Gemüse, Hülsenfrüchte, Getreide -alles ist pflanzlich und weist Inhaltsstoffe auf.
Diese übersteigen teilweise bei weitem den täglichen Bedarf an Energie in Form von Kohlenhydrate, Fette, Proteine und Vitamine.

Was aber sind Vitamine?
Für sich alleine haben Vitamine in einem Nahrungsmittel keinen Wert. 

Exkurs:
Ein Hamburger kann bis zu 8 Gramm reine Ascorbinsäure enthalten. 

Das ist ein vielfaches mehr als der Körper an Vitamin C Bedarf hat.
Trotzdem weist das Blut des Konsumenten nach der Mahlzeit kaum Vitamin C auf.
Genauso verhält es sich mit Tocopherol, dem Vitamin E.
Auch das ist im Fastfood reichlich als Antioxidans für Fette enthalten. Profitieren kann unser Organismus davon nicht. 

Warum ist das so?

Wer sich mit der Biochemie von Pflanzen und Nahrungsmittel auseinandersetzt, stösst zunächst auf die Tatsache, dass es sehr wenige Pflanzen gibt deren Wirkprofil mit allen Wirkstoffen gänzlich erforscht ist. 

Eine gesunde, naturbelassene Pflanze kann bis zu 100 verschiedene Wirkstoffe enthalten. Eine Pflanze produziert diese Fülle an Stoffen für sich selbst, um die eigene Gesundheit, Vermehrung, das Wachstum und den Fortbestand zu sichern.
Im menschlichen Organismus reagieren diese Stoffe, dies macht sie zu Wirkstoffen. Sie lösen etwas aus. Das muss nicht immer positiv sein. Die Pflanzenwelt kennt bekanntlich auch sehr starke Giftstoffe.

Wir wirken diese Wirkstoffgemische?

Eine Pflanze produziert nicht einen Wirkstoff, sondern eine breite Anzahl. Das bedeutet wir haben es mit einem Gemisch zu tun. Alle Stoffe in diesem Gemisch haben das Potential miteinander zu reagieren und wenn wir dieses Gemisch zu uns nehmen dann kommt eine noch grössere Vielfalt an Reaktionen in unserem Organismus auf uns zu. Die Realität sieht so aus, dass die moderne Biochemie sich auf wenige sogenannte Leitstoffe konzentriert und versucht dessen Reaktionen im menschlichen Körper nachzuvollziehen. Dies beschreibt sie dann mit Modellvorstellungen und Näherungsannahmen. Absolut kann keiner sagen wie und was genau mit einem solchen Wirkstoffgemisch in unserem Körper geschieht. Einige dieser Gemische wirken positiv andere nicht. 

Woman using CBD oil

Mengenverhältnis des Wirkstoffgemisch ist entscheidend

Erreger bilden Resistenzen

Beispiel: Artemisia Annua

Der einjährige Beifuss „Artemisia Annua“ ist eine Pflanze aus der klassischen traditionellen chinesischen Medizin.
Sie wird dort als effektives Antimalarikum beschrieben. Anfang der 90 Jahre entdeckte die Firma Novartis diese Pflanze für sich. Man isolierte einen Wirkstoff das Artemisinin und wies nach, dass dieser Wirkstoff die Eisenaufnahme des Malariaprotozoen hemmt, so dass dieses zu Grunde geht. In der chinesischen Medizin trank man Tee aus dem Kraut und man beobachtete, dass innerhalb weniger Tage die Infektion rapide nachlässt. Untersuchungen ergaben, dass die Erregerlast innerhalb von 4 Tagen um 80 % sinkt. Mit dem Medikament von Novartis wurden anfänglich wahre Wunder-wirkungen erzielt. Die Last sank auf 0 % innerhalb weniger Tage. Nach ein paar Jahren zeigte sich jedoch ein Phänomen: Bei einigen Patienten wirkte das reine Artemisinin nicht mehr. 

Die Malariaerreger waren resistent geworden.

Mit über 500’000’000 Behandlungseinheiten, die jährlich produziert werden, hatte Novartis damit ein Problem. Eine genveränderte Art der Artemisia Annua, die ein vielfaches des Wirkstoffes in sich trägt sollte die Lösung sein.

In Afrika wo dieses Medikament seinen Hauptabsatzmarkt hat, wurde Artemisia Annua nun selbst gezüchtet und stellte fest, dass der Tee immer noch das beste Heilmittel ist und die resistenten Erreger ihre Mühe damit haben.

Es reicht also nicht den Schlüsselmechanismus einer Krankheit als Medikament zu verpacken. Warum?

Nicht die Menge eines einzelnen Wirkstoffes, sondern das Mengenverhältnis aller Stoffe ist entscheidend!

Denn Artemisia Annua ist nicht nur ein Antimalarikum. Die Pflanze senkt Fieber, stimuliert das Immunsystem, wirkt antibiotisch im Darm gegen Pilze und zu guter Letzt hemmt sie auch die Eisenaufnahme bei gewissen Tumorarten. Sprich sie kann auch in der Krebstherapie mit grossem Erfolg eingesetzt werden. Das dank einem sehr breiten Wirkstoffgemisch. Belässt man dieses Gemisch unverändert, dann wirkt es ohne Nebenwirkungen und es kommt zu keiner Resistenzbildung auf verschiedenen Ebenen unseres Organismus. Es entfaltet sich in ausgewogener Art. Genau das hat den grössten Stellenwert für das Verständnis der Pflanzenheilkunde. Nicht die Menge eines einzelnen Wirkstoffes ist ausschlaggebend, sondern die Mengenverhältnisse aller Stoffe im Gemisch zu einander ergeben die Wirkung.

Experiment mit Mikroalgen

Algenexperiment:

Wir haben Mikroalgen mit aus Pflanzen gewonnenen Nährstoffen gefüttert. Diese Extrakte enthielten geringe Mengen an Stoffen, die für sich toxisch auf die Algen wirken. Die Menge an toxischen Stoffen war gering aber ausreichend, um den Zellstoffwechsel der Algen in der Theorie lahm zu legen. Wir haben erwartet, dass die Algen absterben. Das Gegenteil war der Fall:

 In Kombination mit den anderen Wirkstoffen des Extraktes wirkten diese toxischen Stoffe jedoch wie eine Stimulanz. Die Algen erwiesen ein schnelleres Wachstum und waren gesünder. Das auch noch 15 Generationen weiter. Algen vermehren sich schnell.

FAZIT: EIN TOXISCHER STOFF WIRKT IN EINEM GEMISCH NICHT SO WIE ER SOLLTE

 

Akelei – Giftig oder Gesund?

Wenn in einem Gemisch Stoffe enthalten sind, welche die toxische Wirkung in einem Organismus verändern, dann ist das nachvollziehbar. 

Beispiel am Menschen: In der Hildegard Heilkunde wird Akelei als Antibiotikum eingesetzt. Akelei wird aber auch als Giftpflanze klassifiziert. Richtig ist auch zu betonen, dass die Menge an toxischen Stoffen sehr gering ist. Eine Unmenge von Frischpflanzen wäre nötig, um eine Wirkung zu verspüren. Anderseits wirkt dieses Gift in unserem Immunsystem aufbauend. Die Pflanze tötet nicht nur lästige Erreger ab, sondern wirkt sich auch noch auf unser Immunsystem aus in dem es dieses aufbaut. Man könnte unzählige solcher Beispiele machen. Wichtig ist zu verstehen, dass diese Wirkstoffgemische mehr sind als die einfache Summe ihrer Bestandteile. Sie haben potentiell die Möglichkeit zwischen den Stoffen im menschlichen Organismus zu reagieren.

Weinraute-Nicht gleich Weinraute

Nun nehmen wir die Weinraute Pflanzen Ruta graveolnes. Dies Pflanze stammt ebenfalls aus der Hildegard Heilkunde wobei sie im Mittelmeerraum seit der Antike genutzt wurde als Gewürz- und Heilpflanze. Sie ist in vielen Länder Europas Apotheken pflichtig da sie für gewisse Dinge missbraucht werden kann. Damit ist nicht eine halluzinogene Wirkung gemeint aber etwas ganz anderes. Nehmen wir eine Weinraute aus dem Mittelmeerraum, die Sonnen verwöhnt an einem trocknen gut drainierten etwas sauren Boden gewachsen ist und nehmen wir eine Weinraute die in nördlicheren Gefilden gewachsen ist. Die Pflanzen unterscheiden sich in ihrem Aussehen wesentlich. Die aus dem Mittelmeerraum erscheint lang gewachsen, höher und weist weniger Blattwerk auf. Die in feuchteren kälteren gebieten gewachsene steht als prächtiger kleiner Busch da.
Im Labor vergleichen wir erst einmal, ob die Wirkstoffzusammensetzung die gleiche ist. Da müssen wir feststellen, dass die Mittelmeerpflanze über ein eindeutig breiteres Spektrum an Wirkstoffe verfügt vor allem Terpenoide.

Dann schauen wir uns die Mengenverhältnisse des Wirkstoffprofils an. Da fällt auf, dass die Mittelmeerpflanzen eindeutig über höhere Mengen und somit andere Verhältniszahlen verfügen. Der eher magere unscheinbare Boden weist sich also im Labor als der mit mehr Inhaltsstoffen und das noch mit mehr Konzentration auf? Wie wirkt Raute? Nun wir beschränken uns auf die Anwendung wie sie bei Hildegard von Bingen vorgestellt wird. Eine Frau in der Menopause stellt ihre Hormone um was zu Beschwerden führen kann. Nimmt man Raute zusammen mit Fenchel zu regelt sich der Hormonhaushalt. Es werden keine Hormone ersetzt, sondern der eigene Hormonhaushalt wird angeregt ein Gleichgewicht und einen stetigen langsamen Umbau zu vollziehen. Die bekannten Beschwerden verschwinden, weil die Wirkstoffe an der Ursache gewirkt haben. Ganz im Sinne von Hildegard von Bingen. Wir geben für drei Monate zuerst das Extrakt aus den nördlichen Breiten einer Freiwilligen. Sie spürt eine sanfte Besserung aber nicht den erhofften Erfolg. Dann geben wir nach einer Pause von einem Monat der gleichen Freiwilligen das Extrakt aus dem Mittelmeerraum und nach wenigen Tagen berichtet sie über eine wesentliche Verbesserung. Es wäre wenig, wenn man nur eine Frau als Testperson heranziehen würde. In etlichen Heilpraxen in ganz Europa wird dieses Extrakt seit mehr als 16 Jahre eingesetzt.
Die Menge an Daten, die dadurch gewonnen wurde, ist dementsprechend und die Wirkung in tausenden Fällen gesichert. Wir lernen nicht nur daraus, dass dieses Heilmittel wirkt, sondern was viel wichtigeres. Eine Heilpflanze je nach dem wo sie wächst und wie sie gedeiht wirkt sie sehr gut oder sogar überhaupt nicht. Wenn Wirkstoffe fehlen, dann hat das Gemisch auch eine andere Wirkung.

Ein Grund warum man Pflanzenheilkunde als sanft und oft auch als unwirksam abtut ist genau dieser. Wo und wie eine Pflanze wächst entscheidet wesentlich über dessen Heilwirkung.

Klimawandel und Heilpflanzen

Die heutige Situation birgt dazu noch zwei weitere Probleme, die ohne Ausnahme berücksichtigt werden müssen. Der Klimawandel weist sich auf Heilpflanzen drastisch aus. Im Labor zeigt sich dies oft in dramatischer Art. So kann es vorkommen, dass einfache Fenchelsamen aus dem Mittelmeerraum ein Jahr vollkommen unbrauchbar sind, weil Dürre oder zu viel Regen die Wachstumsbedingungen der Pflanze so nachhaltig beeinträchtigt haben, dass das Wirkstoffgemisch praktisch unbrauchbar ist. Gerade Europa ist von dieser Entwicklung massiv betroffen. Der Klimawandel ist schleichend und verändert die Bedingungen für unsere Flora nachhaltig. Zudem ist praktisch jedes Jahr ein Rätsel wie es verläuft. Wir haben keine Konstanz mehr in der Klimavorhersage.

Qualität und Biozertifikate

Genau so sieht es bei der Qualitätsprüfung bei Heilpflanzen aus. Ein weiterer Aspekt der Qualität ist das Thema Bio-Zertifikat. Ein Landwirt entscheidet sich auf Biolandbau umzustellen. Das bedeutet aber nicht, dass sein Boden dies auch macht und seine nächste Umgebung muss nicht umstellen. Wir untersuchen seit Jahren Heilpflanzen aus Wildsammlungen, konventionellen Landbau und Biolandbau. Die
Resultate sind nicht eindeutig bzw. legen nahe, dass Biolandbau in Europa bei Heilpflanzen wenig bringt. Zum einen werden die meisten Wildsammlungen aus dem Balkan geliefert. Je nach Herkunftsland und Industrialisierungsgrad bestehen klare Qualitätsunterschiede. Um so verlassener strukturarm eine Gegend ist, umso besser die Qualität.

Beim konventionellen Anbau bietet sich ein ähnliches Bild. Auch hier zeigt sich, dass wenn der Anbau in einer ansonsten wenig bewirtschafteten Gegend vollzieht wird die Qualität wesentlich höher ist. Zudem kann in diesem Fall der Landwirt auf seine Agrochemie verzichten. Denn beim Anbau von Heilpflanzen hat diese für sich nichts zu suchen. Und man braucht sie auch nicht. Denn Heilpflanzen sind an sich eher Anspruchslos. Beim Biolandbau lässt sich nachweisen, dass viele Betriebe von den Altlasten und vor allem durch Nachbarbetriebe mit Agrochemie teilweise massiv überlastet sind. Was das Label Bio an sich fragwürdig macht. Unserer Ansicht nach sollte Heilpflanzenanbau nur dort stattfinden, wo konventionelle Landwirtschaft nicht vorhanden ist. Agrochemie verbreitet sich über sehr weite Distanzen. Diese Gifte wirken auf uns Menschen äusserst schädlich. Diese Stoffe können sich in Heilpflanzen genau so anreichern und verändern die Eigenschaften des eigentlichen Wirkstoffgemisches wesentlich. Will man mit Heilpflanzen etwas behandeln, müssen diese keine Veränderung des Wirkstoffgemisches erfahren. Alles andere wird keinen Erfolg haben. Es versteht sich von selbst, dass wie für Heilpflanzen auch für Nahrungsmittel das gleiche gilt. Nur wird es da schwierig mit dem zur Verfügung stehenden Agrarland. Wer erwartet, dass die Agrochemie spurlos an unserer Gesundheit vorbei geht, der hat nicht begriffen was für toxische Substanzen da überhaupt eingesetzt werden. Zumal die sich im Boden nicht einfach abbauen, sondern sich über Jahre anreichern können. Dazu ist noch zu sagen, dass für die meisten organischen Rückstände der Agrochemie keine Bodenanalysen gemacht werden. Sogar keine Standardtests zur Verfügung stehen. Der Konsument muss bewusst nach mehr und nachhaltiger Qualität fragen, dann wird sich auch einiges Ändern.